"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Montag, 12. November 2012

Flocki


Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt. Ich hörte die schweren Schritte meines Vaters, wie er etwas auf den Boden krachen ließ und dann ein schmerzerfülltes Miauen.
Ich ignorierte die Angst, die mir die Kehle zuschnürte und meine Beine lähmte. Ich musste Flocki retten. Das hatte Priorität, ich stand an zweiter Stelle. Leise drückte ich die Türklinke hinunter und schlich auf Zehenspitzen nach vorne in den Flur.
Wie kann  er nur. Oh mein Gott, Flocki.
Auf ihrem Schwanz stand ein Einkaufsbeutel.
„Alles okay? Geht’s dir gut?“
„Dieses Drecksvieh ist nicht aus dem Weg gegangen“, erklärte mein Vater und trat Flocki, wie um zu zeigen, dass er das Sagen hatte.
Verdammt, sie ist eine Katze. Eine Katze ist ein Lebewesen. Und Lebewesen haben Gefühle. Auf denen du allerdings nur herumtrampelst.
„Zu nichts zu gebrauchen. Genauso wie du“, schimpfte er weiter.
Ich ging zu ihr, schmiss den Beutel meinem Vater vor die Füße und verschwand mit ihr auf dem Arm in meinem Zimmer, wo ich sie ins Puppenbett legte und zudeckte.
„Es tut mir leid. Ich werde nächstes Mal besser auf dich aufpassen, okay?“
Ich schaute in ihre leuchtend grünen Augen, aus denen jeglicher Glanz verschwunden war. Ich fuhr durch ich weiches, schneeweißes Fell. Zu oft wurde sie als Fußabtreter missbraucht. Ich fing an ihr etwas vorzulesen. Sie  sollte eintauchen in eine Welt voller Feen, Magie und Zauber und die schreckliche Wirklichkeit ganz weit von sich schieben.
Ich nahm etwas Glitzer und streute es über sie. „Ab heute sind  du und ich Freunde für immer und ewig.“

Ich legte meine kleine Hand auf Flockis Kopf und flüsterte ihr zu: „Keine Angst. Du schläfst heute bei mir.“ Ich nahm sie und setzte sie auf mein Bett ehe ich die Lichterkette anschaltete und ein rosafarbener Glanz mein Zimmer erfüllte. Ich zog die Bettdecke über uns beide und versuchte verzweifelt Schlaf zu finden. Ich wälzte mich hin und her. Stundenlang. Erst als ich Flocki vorsichtig an mich drückte, und mein Herz unter ihrem warmen Körper pulsierte,

Flocki. Stumm bewegte ich meine Lippen. Ihr Name trieb mir Tränen in die Augen. Erinnerte mich an all die vertrauten Stunden, die wir zusammen verbracht haben. Verbarrikadiert in meinem Zimmer.
Still sank ich zurück in die Kissen. Neben mir hörte ich Andrews regelmäßige Atemzüge, was hieß, dass er tief und fest schlief. Im Gegensatz zu mir. Ich war hellwach, verspürte nicht den Hauch von Müdigkeit. So leise wie möglich schlug ich die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Ich lief zum Fenster, schob den Vorhang ein Stück zur Seite. Es sah schön aus, dort draußen. Friedlich. Die Rücklichter der Autos. Der mit Sternen erhellte Himmel. Die Laternen mit dem hellgelben Licht. Alles ging seinen gewohnten Gang.
Ich kroch zurück ins Bett, rollte mich zu einer Kugel zusammen. Und hatte auf eine eigenartige Art und Weise das Gefühl beobachtet zu werden.

Donnerstag, 8. November 2012

Live or die?


Mit einem ekelerregenden Klang prallte mein lebloser Körper unten auf. Den Kopf nach links gedreht starrten die offenen Augen vor sich hin. Mein Bein lag seltsam verdreht auf dem Asphalt während das Blut weiterhin aus den Schnitten an den Pulsadern strömte und den Gehweg in einen Tatort verwandelte.
„Oh mein Gott!“, hörte ich jemanden schreien. Eine warme Hand legte sich um mein Handgelenk und fühlte meinen Puls. „Ich kann nichts spüren.“ Sie drückte stärker. „Nichts.“ Mein Arm wurde in seine ursprüngliche Postion zurückgelegt. Und als sich die Person mir zuwandte erkannte ich dass es Andrew war. Sein Gesicht war tränenüberströmt, seine Hose voller Blut. Er legte meinen Kopf in seinen Schoß. „Wach auf. Bitte Lexy. Tu es für mich.“ Ich blinzelte kurz, rührte mich aber nicht. „Bitte tu, was ich dir sage. Nur dieses eine Mal.“
Ich überwand mich. Schreiend wachte ich auf. Ein tiefes, sattes Schwarz um mich herum. Wie in einem Sarg. Einem Sarg? Mir blieb die Luft weg.
„Du hattest einen Albtraum. Es ist alles gut. Ich bin bei dir.“
Ich…lebe?
Ich kann nicht in Worte fassen wie ich mich fühlte. Es war als würde der Boden unter mir weggerissen werden. Ich fiel. Tiefer und tiefer.
Ich lebe, sagte ich mir. Neben mir sitzt Andrew und hält meine Hand. Es ist drei Uhr nachts. Und alles, was bis eben so real war, war nur ein Traum.
„Lexy. Sieh mich an.“ Er fasste unter mein Kinn, drehte es grob zu sich.
„Du tust mir weh.“