Als
am nächsten Morgen die Tür ins Schloss fiel, zerbrach in meine Einzelteile. Mein Lächeln war wie weggewischt,
meine Augen leer. Es war kein schönes Gefühl so verloren in meiner Wohnung zu
stehen und niemanden in greifbarer Nähe zu haben, dem man wichtig war.
Ich
kam mir so ungeliebt vor. So alleingelassen.
Kraftlos
glitt ich an der Wand hinunter. Ich spürte, wie sich Tränen anbahnten, wie ich
sie nicht länger zurückhalten konnte.
Ich ließ es geschehen. Ließ die salzigen Tränen über
meine Wangen laufen während ich meinen Kopf gegen die Wand schlug um meinen
inneren Schmerz nach außen zu bringen, um mich besser zu fühlen.
Es war vergeblich. Ich fühlte mich zwar erschöpft,
doch keineswegs besser. Ich konnte nicht anders als aufzustehen und ins Bad zu
gehen. Als ich die wunderschöne Klinge dann in meiner Hand hielt, fiel mir ein
Zettel aus der Hosentasche.
Die Nummer meiner Therapeutin.
‚In
Notfällen‘, hatte sie gesagt. War das ein Notfall?
War nicht
meine ganze gestörte Persönlichkeit ein einziger Notfall?
Ich ließ die Rasierklinge auf den Boden fallen, wo sie
mit einem leisen Klirren liegenblieb. Dann drehte ich mich um, nahm mein Handy
und wählte ihre Nummer.
Nach ein paar Sekunden hörte ich ihre Stimme. „Ja?“
„Hallo, hier ist Lexy.“ Ich machte eine Pause, wusste
nicht, was ich als nächstes sagen sollte.
„Lexy, schön dass Sie anrufen.“
„Ich bin kurz davor mir etwas anzutun.“
„Was ist denn passiert?“
„Es ist nichts passiert. Mir geht es nur nicht so
gut.“
„Weil Sie sich einsam fühlen?“
„Ja. Einsam. Gehasst. Und verabscheut.“
Tränen traten mir in die Augen. Mit einer schnellen
Handbewegung wischte ich sie weg. Ich ließ mich auf den Boden fallen und biss
mir auf die Unterlippe um die Tränen zu vertreiben.
„Was macht Sie so traurig?“, fragte sie mit ihrer
weichen Stimme, die mich umhüllte wie Samt.
„Der Gedanke“, ich schluchzte kurz auf, „dass ich
allen egal bin. Dass ich niemandem etwas bedeute und eigentlich auch tot sein
könnte. Es würde ja eh niemanden interessieren.“
„Das ist Ihre Interpretation. Ich bin mir sicher, Sie
sind Andrew nicht egal. Und mir auch nicht.“
„Ich weiß nicht“, flüsterte ich und wischte mit einem
Taschentuch die Tränen aus meinem Gesicht. „Ich habe das Gefühl, dass alle mich
hassen.“
„Warum sollte man Sie hassen?“
„Da gibt es tausende von Gründen“, erwiderte ich und
hasste meine Stimme dafür, dass sie so zitterte. „Tausende und Abertausende.“
Ich brach in ein Schluchzen aus und legte das Telefon
weg ohne aufgelegt zu haben. Mein Herz pochte schnell und doll. Als ich
aufstehen wollte, wurde mir schwindlig. Ich setzte mich wieder hin, nahm das
Telefon in die Hand und hauchte ein paar Worte in den Hörer. „Ich bin am Ende.“
„Lexy, ich bin in einer halben Stunde da. Passen Sie
so lange gut auf sich auf.“
Ich legte auf, ließ meinen Kopf auf die Knie sinken.
Eine halbe Stunde konnte verdammt lange sein, wenn man heulend auf dem Boden
kauerte und sich wünschte seinem Leben endlich ein Ende zu setzen.
Jede einzelne Bewegung strengte mich an. Selbst das
Atmen fiel mir schwer. So unglaublich schwer. Ich wünschte mir, ich könnte es
lassen. Einfach sterben. Hier und jetzt. Ich streckte meine zittrige Hand aus
und griff nach der Klinge, welche ich neben mich gelegt hatte. Mit dem
Zeigefinger fuhr ich langsam die Kante entlang. Mein Puls schnellte in die
Höhe. Ich spürte mein Herz wild in
meiner Brust pochen.
Jetzt oder
nie.