"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Donnerstag, 28. Juni 2012


Er arbeitete in einem riesigen Bürogebäude mit neun Etagen. Und zu meinem Leidwesen befand sich sein Büro auch ganz oben. Ich stand also am Fenster, schaute nach unten und stellte mir vor…
„Komm da weg“, meinte Andrew und nahm meine Hand. Er platzierte mich auf einem der Ledersessel, welche für seine Klienten vorgesehen waren.
„Krisenbesprechung. Ich muss kurz in den Konferenzraum.“
Er schloss leise die Tür hinter sich. Ich wartete ein, zwei Sekunden ab, stand dann auf und nahm mir einen Ordner aus seinem Regal. Alles, was ich fand, waren Berichte. Ich stellte ihn zurück und zog den nächsten heraus. Ich wusste nicht nach was ich suchte, wirklich nicht, doch als mir dieses Foto in die Hände fiel, da hatte ich etwas gefunden.
Ein kleines Mädchen, vielleicht vier oder fünf Jahre alt, lag nackt auf einem Bett, ihren Teddy fest umklammert. Die anklagenden Augen geöffnet, den Mund zu einem Schrei geformt. Ihre roten Haare ausgebreitet wie ein Fächer.  Und ihr zartes Gesicht, ganz weiß. In ihrem linken Arm eine Spritze. Eine Spritze mit einer grünlichen Flüssigkeit, vermutlich hochdosiertes Gift. Das Leben war aus ihr gewichen. Und zwar komplett.
Wie ein Dolch bohrte sich dieser Anblick durch mein Herz. Oh Gott. Benommen starrte ich auf die Aufnahme. Das darf doch nicht wahr sein. Wer tut so etwas? Ich lehnte mich ans Regal, behielt die Tür im Blick. Denn was ich nicht wusste, war: Was hat Andrew damit zu tun?

Sonntag, 24. Juni 2012

Wieso?


Wieso versteht mich niemand?
Wieso hört niemand meine lautlosen Schreie, die in der Nacht verhallen?
Wieso sieht niemand die Schnitte an meinem Arm, aus denen das Blut fließt?
Wieso bemerkt niemand meinen leeren Blick, der teilnahmslos in die heile Welt hinaus blickt?
Wieso, verdammte Scheiße?
Wieso ist meine Trauer für alle unsichtbar?


Weil ich so tue als ginge es mir gut. Selbst schuld, du unfähiges, kleines Ding.

Donnerstag, 21. Juni 2012

x


Verlegen starrte ich in den Kerzenschein.
„Denkst du, dass ich nur Aufmerksamkeit möchte?“
„Wie kommst du denn darauf? Wenn ich das denken würde, dann hätte ich dich sicherlich nicht in meine Wohnung geholt. Ich weiß, wie ernst und drängend deine Gedanken sein können. Und ich will dich nicht verlieren.“
Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht.
„Es ist so schön, wenn du lächelst.“
Verneinend schüttelte ich meinen Kopf. „An mir ist nichts schön. Nichts.“
Ich starrte an meinen Armen herunter. Zog mir den Cardigan über die Handgelenke.

„Sie haben ein sehr hübsches Kleid an“, erzählte mir die Krankenschwester augenzwinkernd.
Nein, an mir ist alles hässlich.
„Sie tragen viel schwarz, oder?“, fragte sie mich.
„Ja. Es ist meine Lieblingsfarbe.“
„Ich persönlich trage auch gerne schwarz, aber es lässt mich immer so blass wirken. Sie können ja alles tragen. Mit ihrem hübschen Gesicht und dem schlanken Körper.“
„Und den Narben am Unterarm“, zählte ich sarkastisch  weiter auf noch ehe ich darüber nachdenken konnte.

„Hey, an was hast du gerade gedacht?“, wollte Andrew wissen und beäugte mich genaustens.
„Wieso?“
„Dein Gesicht… Es hat sich verfinstert.“

Mittwoch, 20. Juni 2012

Love?


Mit einer Flasche Baileys stieg ich die Treppen hinauf. Ich konnte es kaum erwarten mich in den Alkohol zu flüchten. Ich blieb vor Andrews Tür stehen und überlegte ob ich klingeln sollte. Aber weil ich mir noch keine Entschuldigung zurecht gelegt hatte, drehte ich mich und wollte gerade gehen. Da riss Andrew die Tür auf und starrte mich böse an.
„Ach, neuer Suizidversuch?“
 „Andrew, es tut mir leid. Unendlich leid. Ich weiß, dass ich das nie wieder gut machen kann…“
„Willst du dich wegen mir umbringen?“
„Nein, ja….auch.“
Er zerrte mich in seine Wohnung, schloss die Tür und nahm mir die Flasche aus der Hand.  „Du schläfst heute hier.“

Zögerlich ging ich ins Wohnzimmer. Sofort schlug mir Wärme und der Geruch von Vanille entgegen. Ich setzte mich auf seine schwarze Couch. Auf dem kleinen Tischchen davor standen zwei Teelichter. Angezündet. Flackernd. Als wollten sie mich reizen. Ich hielt meinen Zeigefinger über die Flamme, spürte die wohlige Hitze meine Haut liebkosen.
„Sophie!“
Augenblicklich zog ich meine Hand zurück.
„Dich kann man echt keine Sekunde aus den Augen lassen.“
Er setzte sich zu mir, stellte demonstrativ zwei Gläser und eine Flasche Wasser auf den Tisch.

Montag, 18. Juni 2012

Leer.


Ich wachte auf, stellte fest, dass meine Wimpern ganz verklebt waren und rieb mir über die brennenden Augen. Ich richtete mich auf.  Silberne Sternen kreisten um mich, ließen mich alles unscharf sehen. Meine Knie gaben nach, ich landete mit einem dumpfen Knall auf dem Boden. Eine Weile blieb ich so liegen, hörte wie eine Tür zugeschlagen wurde. Was habe ich gestern nur für ein Theater gemacht? Andrew muss doch denken ich sei völlig durchgeknallt.
Ruckartig stand ich auf. Mein schlechtes Gewissen ließ mich nicht los, klebte an mir wie Kaugummi.
Keine Entschuldigung kann mein gestriges Verhalten rechtfertigen. Keine. Schuldgefühle keimen in mir auf, schaffen es dass ich mich mies fühle. Mies und schuldig. Zwei tolle Adjektive.
Ich zuckte zusammen als mich  eine Tatsache brutal aus meinen Gedanken riss:  Er war gegangen. Und diesmal für  immer.
Ein höllischer Schmerz beschlich mich.  Ich stolperte ein paar Schritte nach hinten, lehnte mich an die kalte Wand und schloss die Augen.
Das ist nicht wahr. Mein Gott, das darf nicht wahr sein. Sag, dass ich träume. Nur ein böser Albtraum.
Nein, ich schlief nicht. Ich war wach. Und das war die bittere Realität. Ich kratzte mir über den Unterarm. Rote Striemen hatten sich gebildet.
Wenn ich einen einzigen Schnitt an dir sehe, dann bin ich weg.
Ich krallte meine Fingernägel noch tiefer in die Haut hinein als mich ein stürmisches Klingeln aus meiner Trance holte. Einem Herzinfarkt nahe wankte ich zur Tür, verwirrt und vollkommen neben der Spur. Als ich sie aufriss, stand der Postbote vor mir und drückte mir wortlos einen Brief in die Hand. Ich ließ ihn auf den Boden fallen.
Denn der Umschlag war mir egal. Alles war mir egal. Alles außer Andrew. Ich fühlte mich so leer ohne ihn. Es fehlte ein Teil. Wie bei einem Puzzle, das noch nicht fertig war.

Freitag, 15. Juni 2012

Scheiße.


„Ich Idiot“, flüsterte ich in den Raum hinein. „Ich Idiot!“, schrie ich. „Ich bin so verdammt scheiße! Scheiße, scheiße, scheiße!“ Meine Schreie erfüllten die kühle Luft der Nacht. Krochen aus dem Fenster hinaus die Straßen entlang. Ich sprang auf, lief zum Fenster, beugte mich hinaus und schrie. „Ahhh!„
Lichter gingen an, neugierige Gesichter erschienen an den Fensterscheiben. Verstörte Blicke flogen zu mir. Mein weißes Nachthemd flatterte im Wind. Ich fühlte mich wie ein Engel, nicht mehr lebendig, aber auch nicht tot. Irgendwo dazwischen.
Ich sank auf den weichen Teppich, meine Haare peitschten wild umher. Das Fenster war noch offen. Es wurde kühl im Raum. Ich fing an zu zittern, presste meine Beine an meine Brust. Es war wirklich seltsam. All meine Gefühle verließen mich, schwebten einfach so hinaus. Zu Menschen, die besser mit ihnen umgehen konnten. Ich fühlte mich irgendwie so inhaltslos. Alles hatte plötzlich keinen Sinn mehr.
Wozu sollte ich aufstehen, wenn ich genauso gut auf dem Boden schlafen konnte?
Wozu sollte ich überhaupt noch aufstehen? Wozu, verdammte Scheiße?
Für nichts. Nichts und niemanden.
„Sophie?“, hörte ich Andrew rufen.
Hau ab, lass mich in Ruhe.
„Wo bist du?“
Geh weg. Bitte. Geh einfach weg.
Die Tür wurde aufgerissen, er sah mich auf dem Boden liegen. „Was ist passiert?“
„Nichts!“ Ich brauche dich nicht. Ich komme gut alleine klar.
„Was ist los?“
„Lass mich!“ Lass mich hier liegen, lass mich in meiner Gleichgültigkeit ertrinken. Und wende deinen Blick von mir ab. Du sollst mich nicht ansehen als wäre ich vollkommen gestört.