"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Montag, 29. Juli 2013

Von wegen alles wird gut



„Hast du schon mal vom ‚butterfly project‘ gehört?
Ich schüttelte den Kopf.
Er gab mir einen Zettel.
1. Wenn du dich schneiden willst, male dir einen Schmetterling an die Stelle, an der du dich verletzen willst.
2. Gib diesem Schmetterling einen Namen, somit wird er realistischer.
3. Nicht schneiden.
4. Wenn du dich geschnitten hast, bevor der Schmetterling weg ist, hast du ihn umgebracht.
5. Wenn du mehr als einen hast, bringt ein Schnitt alle Schmetterlinge um.
Ich blickte auf. Gerührt von seinem Versuch mir zu helfen. Doch es war eben nur ein Versuch.
„Bitte versuch es wenigstens.“
Aber wie soll mich ein beschissener Schmetterling davon abhalten dieses zutiefst berauschende Gefühl fühlen zu wollen, was sich einstellt wenn ich mich verletze. Wie?
„Lexy, bitte.“
Ich weiß, alles ist krank. Ich. Meine Gedanken. Mein Leben.
Andrew nahm mir den Zettel aus der Hand und legte ihn vor sich hin. Eine seltsame Härte und Unbarmherzigkeit hatte sich in seinen Blick gestohlen.
Ich hatte Angst, er könnte wütend werden. Mich anschreien. Mir wehtun. Mich missbrauchen. Mein Oberkörper zuckte ein Stück zurück als ich sagte: „Okay. Ich probiere es.“ Es folgte ein einsichtiges Lächeln. Also zumindest sollte es einsichtig aussehen.
Angespannt wartete ich ab. Wartete auf das, was als Nächstes passierte.
Entgegen all meinen Erwartungen stand Andrew auf und schloss mich in seine Arme. Er schien nicht böse auf mich zu sein. Eher erleichtert, dass ich einen Schritt vorwärts wagte. „Du schaffst das“, flüsterte er in mein Ohr und löste damit all meine absurden Ängste, die ich bis eben noch ausgestanden hatte.
Ich versank in der Stille, die uns umhüllte wie ein Schutzpanzer. Es war keine unangenehme Stille, es bemühte sich keiner sie zu brechen. Niemand suchte nach Worten. Manche Sachen, konnte man schlichtweg einfach nicht in Worte fassen. Deshalb beschloss man zu schweigen und sich im Moment zu verlieren bis man wieder in den Alltag eintauchte und alles seinen gewohnten Gang ging.
Ein wildes Klingeln an der Wohnungstür holte mich aus der lieblichen Benommenheit zurück in die kalte Realität. Ich torkelte in den Flur, schaute durch den Spion und erstarrte.
Mein Vater. Was zum Teufel machte er hier?
Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Schlagartig fühlte ich mich wieder wie ein kleines Kind. Unsicher und verletzlich schlang ich die Arme um mich.
„Ich weiß, dass du da bist, Lexy.“
Meine Hand wanderte zur Türklinke. Ich spürte das kalte Metall unter meinen Fingern. Ehe sich mein Verstand einschalten konnte, öffnete mein Arm die Tür.
Als ich meinem Vater gegenüber stand, wich die Farbe aus meinem Gesicht.  
„Lexy, ich muss mit dir reden.“
Aber ich wollte nichts von ihm hören. Kein einziges Wort. Sein Verhalten war mit nichts zu entschuldigen.

Donnerstag, 25. Juli 2013

Überdosis Selbsthass



Ein letztes Mal schaute ich mich um. Dann schluckte ich die Tränen hinunter und verließ den Raum.
Im Flur blendete mich das viel zu helle Neonlicht, was von der Decke auf mich herunter schien.
„Lexy, was ist denn los?“, fragte Andrew der Mühe hatte mit mir Schritt zu halten. Er nahm meine Hand und zwang mich stehenzubleiben.
„Ich will hier nur so schnell wie möglich raus. Das ist alles.“
„Nein, das ist nicht alles.“ Er sah mir tief in die Augen. „Sag mir, was los ist.“
„Ich habe einfach nur Angst zu scheitern. Das alles wieder von vorne losgeht.“ Ich seufzte. Vergrub mein Gesicht in den Händen. Unterdrückte ein Aufschluchzen. „Dass ich nicht stark genug bin. Nicht gut genug.“
„Für mich bist du das Beste, was mir je passiert ist.“ Er umarmte mich ganz fest und wartete bis ich mich wieder gefangen hatte. Es tat mir gut körperliche Nähe zu spüren. Zu wissen, dass jemand für mich da war obwohl er meine Fehler kannte.
Wir setzten unseren Weg zum Auto fort. Schritten durchs Foyer, wo die Menschen auf meinen Verband starrten. Ich drehte mich um, versuchte die Blicke zu ignorieren. Doch es gelang mir nicht.
Scham stieg in mir hoch, Selbsthass flammte auf. Hätte Andrew mich nicht weitergezogen, wäre ich auf der Stelle weinend zusammengebrochen.
Er schloss das Auto auf und wir stiegen ein. Ich knallte die Tür zu, so laut dass ich mich selbst erschreckte. Als er den Motor anließ, war ich drauf und dran in tiefen Schuldgefühlen zu ertrinken.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Entlassung



Guten Morgen  beschissene Welt.
Ich quälte mich aus dem Bett, nahm meine Tasche und schmiss all meine Sachen hinein. Innerhalb von fünf Minuten war ich fertig mit Packen.
Unruhig lief ich in dem kleinen Zimmer auf und ab. Ich hatte fürchterliche Angst, dass sie es sich nochmal anders überlegten. Ich fühlte mich nämlich keineswegs stabil. Eher am Abgrund, bereit zu springen. Ich schaute aus dem Fenster, konnte aber nichts erkennen weil sich meine Augen plötzlich mit Tränen füllten.
Ich war nichts anderes als ein depressives, suizidales Häufchen Elend, was auf seine Entlassung hinaus in die weite Welt wartete.
Mit beiden Händen wischte ich die Tränen weg, schnell und gekonnt. Ohne meine Wimperntusche zu verschmieren. Ohne die Fassade zu zerbrechen.
Je schlechter es mir ging, desto strahlender war das Lächeln auf meinem Gesicht. Ich zog die schönsten Kleider an, immer in der Hoffnung mich ein wenig besser zu fühlen. Doch egal was ich anzog, ich fühlte mich hässlich.
Ein ungeduldiges Hämmern an der Tür riss  mich aus meiner schwarzen Gedankenwelt.
„Ja?“
Andrew kam herein, umarmte mich und blickte mich dann mit Sorgenfalten auf der Stirn an. „Warum hast du nicht aufgemacht? Ich habe an die hundert Mal geklopft.“
„Sorry, ich war…“ Nicht ganz bei mir. Weggetreten. Mit dämlichen Gedanken beschäftigt. „in Gedanken“, führte ich den Satz zu Ende und nahm meine Tasche.

Sonntag, 21. Juli 2013

guter Weg?



Es klopfte. Ich zuckte heftig zusammen. Die Tür ging auf und ich rechnete fest damit, meinen Vater zu sehen. Stattdessen trat der Arzt ins Zimmer. Mit einem flüchtigen Blick registrierte er meine  verkrampfte Haltung und wahrscheinlich auch die Tränen in meinen Augen, die ich versuchte zurückzuhalten.
„Wie geht es Ihnen?“
„Ganz okay“, erwiderte ich nach langer Überlegung. „Könnte schlimmer sein.“
Er nickte. „Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass Ihr Vater von jetzt an ein Besuchsverbot hat. Ich bin mir sicher, dass Sie sein Erscheinen zutiefst erschreckt hat.“
Jetzt war ich es, die nickte. „Er hat mich schon einmal Zuhause aufgesucht und als er dann hier stand…Ich hatte einfach wahnsinnige Angst.“
„Ich werde Sie morgen entlassen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass Sie die ambulante Therapie fortsetzen und das Antidepressivum nehmen, dass ich Ihnen verschreibe.“
Bei dem Wort „Entlassung“ legte sich ein leichtes Lächeln auf meine rauen Lippen. In Wirklichkeit hatte ich Angst, dass alles wieder von vorne losgehen könnte. Die abendlichen Stunden voller Verzweiflung, in der meine Rasierklinge mein Lebensretter war.
„Ich glaube, Sie sind auf einem guten Weg.“ Er drehte sich um, doch bevor er hinausging fiel ihm noch etwas ein. „Ich wünsche Ihnen gute Besserung und bin überzeugt, dass Sie das schaffen werden.“
Dann verschwand er und ließ uns allein.                              Eine ungewohnte Stille stellte sich ein. Ich dachte über seine Worte nach, über diese ganzen Hoffnungen, die der Arzt in mich setzte. Ich würde sie enttäuschen, da war ich mir sicher.
„Alle glauben an dich. Dann solltest du es auch tun.“
„Mhm.“ Ich griff nach meinem Frappuccino und sog an dem starbucksgrünen Strohhalm.

Samstag, 13. Juli 2013

Nein, ist es nicht.

„Es kann alles wieder gut werden“, sagte Andrew eine Stunde später und reichte mir einen Coffee-Frappuccino, den er um die Ecke bei Starbucks für mich gekauft hatte.
Ich setzte mich auf die Bettkante. Schloss beide Hände um den Becher. „Ja, vielleicht…“
„Du musst es nur zulassen.“
„Willst du damit sagen, dass ich selbst schuld daran bin, wie es mir geht?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich meinte, dass du immer nur das Negative siehst und das Positive vollkommen ausblendest.“
„Das Ganze nennt man Depression oder Borderline. Ganz wie du willst.“
„Du bist nicht nur eine Diagnose, Lexy.“
„Mag sein.“ Ich zuckte mit den Schultern. Stellte meinen Frappuccino auf die Bettdecke. Strich mit einer Hand über den Verband an meinem linken Handgelenk.
Diesmal hatten sie ohne Betäubung genäht. Das war das Mindeste, was sie für mich tun konnten, wenn ich schon nicht sterben durfte.
Andrew griff nach meiner Hand. „Ich glaube an dich.“
Wenigstens einer.
„Wir schaffen das zusammen.“ Er stand von seinem Stuhl auf und setzte sich neben mich aufs Bett.
Ich lehnte mich an ihn an und als er dann seine Arme um mich schlang, hatte ich das erste Mal seit Langem wieder das Gefühl dass ich jemandem etwas bedeutete. Dass ich nicht egal war.
„Danke“, flüsterte ich. „Danke, dass du immer für mich da bist.“
Er küsste mich sanft auf den Haaransatz. „Das ist doch selbstverständlich.“
Nein, ist es nicht.