„Hast du schon mal vom ‚butterfly project‘ gehört?
Ich schüttelte den Kopf.
Er gab mir einen Zettel.
1. Wenn du dich schneiden willst, male
dir einen Schmetterling an die Stelle, an der du dich verletzen willst.
2. Gib diesem Schmetterling einen
Namen, somit wird er realistischer.
3. Nicht schneiden.
4. Wenn du dich geschnitten hast, bevor
der Schmetterling weg ist, hast du ihn umgebracht.
5. Wenn du mehr als einen hast, bringt
ein Schnitt alle Schmetterlinge um.
Ich blickte auf. Gerührt von seinem Versuch mir zu
helfen. Doch es war eben nur ein Versuch.
„Bitte versuch es wenigstens.“
Aber wie soll
mich ein beschissener Schmetterling davon abhalten dieses zutiefst berauschende
Gefühl fühlen zu wollen, was sich einstellt wenn ich mich verletze. Wie?
„Lexy, bitte.“
Ich weiß, alles
ist krank. Ich. Meine Gedanken. Mein Leben.
Andrew nahm mir den Zettel aus der Hand und legte ihn
vor sich hin. Eine seltsame Härte und Unbarmherzigkeit hatte sich in seinen
Blick gestohlen.
Ich hatte Angst, er könnte wütend werden. Mich
anschreien. Mir wehtun. Mich missbrauchen. Mein Oberkörper zuckte ein Stück
zurück als ich sagte: „Okay. Ich probiere es.“ Es folgte ein einsichtiges
Lächeln. Also zumindest sollte es einsichtig aussehen.
Angespannt wartete ich ab. Wartete auf das, was als
Nächstes passierte.
Entgegen all meinen Erwartungen stand Andrew auf und
schloss mich in seine Arme. Er schien nicht böse auf mich zu sein. Eher
erleichtert, dass ich einen Schritt vorwärts wagte. „Du schaffst das“,
flüsterte er in mein Ohr und löste damit all meine absurden Ängste, die ich bis
eben noch ausgestanden hatte.
Ich versank in der Stille, die uns umhüllte wie ein
Schutzpanzer. Es war keine unangenehme Stille, es bemühte sich keiner sie zu
brechen. Niemand suchte nach Worten. Manche Sachen, konnte man schlichtweg
einfach nicht in Worte fassen. Deshalb beschloss man zu schweigen und sich im
Moment zu verlieren bis man wieder in den Alltag eintauchte und alles seinen
gewohnten Gang ging.
Ein wildes Klingeln an der Wohnungstür holte mich aus der
lieblichen Benommenheit zurück in die kalte Realität. Ich torkelte in den Flur,
schaute durch den Spion und erstarrte.
Mein Vater. Was
zum Teufel machte er hier?
Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Schlagartig
fühlte ich mich wieder wie ein kleines Kind. Unsicher und verletzlich schlang
ich die Arme um mich.
„Ich weiß, dass du da bist, Lexy.“
Meine Hand wanderte zur Türklinke. Ich spürte das
kalte Metall unter meinen Fingern. Ehe sich mein Verstand einschalten konnte,
öffnete mein Arm die Tür.
Als ich meinem Vater gegenüber stand, wich die Farbe
aus meinem Gesicht.
„Lexy, ich muss mit dir reden.“
Aber ich wollte nichts von ihm hören. Kein einziges
Wort. Sein Verhalten war mit nichts zu entschuldigen.