"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Samstag, 26. Mai 2012

Wie solls weitergehen?


Pünktlich um 15 Uhr saß ich bei meiner Therapeutin. Ich überkreuzte meine Beine, wippte mit dem Fuß hin und her. Sie zog einen Zettel aus ihrem Papierturm und setzte sich mir gegenüber. Aber sie wirkte reserviert, ja geradezu um Distanz bemüht. Und das verunsicherte mich.
„Wie geht es Ihnen?“, begann meine Therapeutin das Gespräch und blickte mich an, darauf wartend, dass ich die Wahrheit sagte.
„Nicht so besonders gut.“
Sie nickte, schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatte. Ich rutschte weiter an die Sessellehne heran umso den Abstand zwischen uns zu vergrößern.
„Führen Sie noch autoaggressive Handlungen aus?“ Die braunen Augen guckten mich unruhig an und fingen die kleinste Regung ein.
„Ja, verdammt“, fuhr ich sie an.
Sie öffnete ihre Hand und hielt mir ein blaues Gummiband hin. Als ich mich nicht regte, schob sie es mir übers Handgelenk und ließ es einmal schnippen. „Das gehört zu den Skills. Dinge, die Sie machen können um das Schneiden zu verhindern.“ Irritiert guckte ich auf das schmale Band. Das soll mir helfen, mich wirklich davon abhalten?
Sie schien meinen unsicheren Ausdruck zu bemerken und reichte mir einen Zettel. Um genauer zu sein, eine Liste. Mit verschiedenen Skills. Ich ließ meinen Blick über die Wörter fliegen während sie mich genau beobachtete und auf eine Reaktion meiner Seite hoffte.
Ich ließ das Blatt auf meinen Schoß sinken und erklärte ihr: „Ich werde es probieren, aber ich kann nicht versprechen dass es mich abhalten wird.“
„Das erwarte ich auch gar nicht. Ich möchte, dass Sie sich bewusst werden, dass es andere Möglichkeiten gibt den inneren Druck abzubauen.“
Das leuchtete mir ein. Ich lächelte ihr dankbar zu. Und während sie es erwiderte schmolz die kühle und angespannte Atmosphäre dahin wie Eis.
„Sie müssen lernen Verantwortung zu übernehmen. Für sich selbst, Ihre Gedanken, Ihr Verhalten und schlussendlich auch Ihr Leben. Und am besten fangen Sie bei ihrem Verhalten an.“

Eine halbe Stunde später befand  ich mich vor der Praxis, meinen iPod in den Ohren. Ich blieb kurz stehen, drehte mich ein paar Mal im Kreis und lief über die Straße. Ohne nach links und rechts zu gucken. Eis lautes Quietschen. Ich hörte vage wie mich jemand mit Ausdrücken bombadierte und dann weiterfuhr. Verwundert blickte ioch dem schwrazen Audi hinterher und schob mir meine Kopshörer noch tiefer in die Ohren.
Life is no nintendo game.
Ein kurzer Gedanke leuchtete auf und krallte sich in meinem Gehirn fest. Verantwortung zu übernhemen hieß sich selbst vertrauen zu können. Und das musste ich erst noch prüfen. Ich verließ den schwarzen Asphalt der Straße und lief auf dem Gehweg zur Autobahnbrücke.

 Wie solls weitergehen?

Donnerstag, 17. Mai 2012

Welches Versprechen soll sie ihm geben?


Ich zog das Küchenmesser unter dem Kopfkissen hervor und stach es mir wieder und wieder in die Wunde um sie zu vertiefen. Gedämpft hörte ich Schritte. Ich legte das Messer schnell zurück und betrachtete den tiefen Schnitt, welcher an meiner linken Pulsader klaffte.
Andrew erschien im Türrahmen, riss erschrocken die Augen auf und drehte sich wieder um. „Ich rufe einen Notarzt!“, schrie seine erregte Stimme. Viel zu schwach um mich zu wehren ließ ich es geschehen.
Andrew warf sein Handy in hohem Bogen durchs Zimmer und eilte mit einem Verband auf mich zu. Warum möchte er mich retten? Ich habe es doch gar nicht verdient zu leben. Er band mir am Oberarm das Blut ab und stillte mithilfe der Bandage die Blutung.
„Bitte hör auf.“ Abrupt hielt er inne. „Ich möchte nicht mehr, es geht nicht.“ Er lauschte meiner fast unhörbaren Stimme und zog währenddessen den Verband fester. „Lass das.“
Ein wildes Klingeln unterbrach Andrew bei seiner Arbeit. „Du kannst mich doch nicht ins Krankenhaus verfrachten“, wimmerte ich.
„Das werde ich auch nicht, mein Engel. Du bist stabil, wirst nicht verbluten.“ Na toll. Er eilte zur Tür.
„Ich habe die Situation im Griff“, hörte ich Andrew sagen. Ein leises Gemurmel, dann wurde die Tür geschlossen und er rief mir zu: „Ich habe ihn weggeschickt. Aber nur weil ich höchstpersönlich dafür sorgen werde, dass du deinen Arm in Ruhe lässt.“ Er schmiss ein Kissen auf den Boden und breitete eine Decke aus. Ich ließ den Kopf in mein Kopfkissen sinken. Verdammte Scheiße.
Mit einem Scheppern fiel das Messer zu Boden. Ungläubig starrte Andrew mich an. „ Sag, dass das nicht wahr ist. Du hast den Schnitt tiefer gemacht damit du verblutest?!“ Seine Tonlage schwankte, seine Hoffnung in mich ebenfalls. Wutentbrannt klemmte er sich sein Bettzeug unter den Arm.
„Lass mich nicht alleine. Bitte. Bleib hier. Ich brauche dich doch.“ Wortlos schaute er mir ins Gesicht. „Du bist das letzte Stück Zuversicht, an das ich mich klammere. Ohne dich bin ich verloren.“
Andrew setzte sich auf die Bettkante und streichelte mir über die Wange. „Nur wenn du mir ein Versprechen gibst.“
Welches Versprechen soll sie ihm geben?

Sonntag, 13. Mai 2012

born to die


Ich hatte mich ins Badezimmer verzogen. Meine Klamotten lagen auf dem Boden verstreut. Das Wasser plätscherte in die Wanne. Langsam legte ich mich hinein und nahm die Klinge vom Rand.
Nur ein Schnitt, ein ganz kleiner.
Er hämmerte gegen die Tür. „Komm da raus!“
„Nein!“
Ich hörte ihn etwas fluchen. Ich zog die Klinge durch meine Haut, beobachtete wie meine Haut sich öffnete, sich spaltete. Blut floss aus dem Schnitt heraus, färbte das Wasser rötlich. Im Rhythmus meines Pulsschlages kam ich dem Tod näher und näher. Ich ließ die Klinge auf die Fliesen fallen. Ich tauchte meinen Zeigefinger in die Wunde und schmierte etwas an den Badewannenrand.  Es war für Anna und Andrew. Ein einziges Wort, mein letztes Wort. Kaputt. Meine Muskeln erschlafften und ich glitt tiefer in das Wasser. Verschwommen nahm ich wahr wie auf einmal Andrew im Raum stand.
„Verdammt.“ Er kam zu mir und hob mich aus der Badewanne. Das Wasser tropfte  auf den Boden. Mein Arm brannte wie Feuer. „Warum? Warum, Sophie?“, hörte ich seine Stimme wie durch Watte. Dann knickte mein Kopf nach hinten ab und mein Bewusstsein schwand.

Als ich meine Sinne wiedererlangte lag ich im Bett, eingekuschelt in eine dicke Decke. Andrew saß neben mir und strich mir beruhigend über die Hand. Mein Arm war mit einem Handtuch verbunden.
„Warum, Süße? Warum?“ Seine Worte waren ein leises Flüstern. Es glitt hinaus in die Dunkelheit und legte sich über mich. Gedanken zuckten durch meinen Kopf. Wie in einer Endlosschleife jagten sie durch mein Gehirn. Ich kann nicht mehr. Kann diese quälenden Gedanken nicht mehr ertragen, sie fressen sich durch meinen Körper, lassen eine leere Hülle zurück. Innerlich bin ich  eh schon tot. Ich möchte nichts mehr fühlen, nichts mehr spüren, nichts mehr denken. Einfach tot sein.
Ich fing an schneller zu atmen, irgendwie hektisch.
„Bleib wach. Bitte bleib bei Bewusstsein.“ Ich war vollkommen abwesend, hörte seine Bitte nur ganz leise. Er presste seine Finger auf meinen Schnitt. Es schmerzte höllisch. Scharf sog ich die Luft ein. „Scheiße.“ Wie in Zeitlupe erreichten mich seine Worte. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, alles kam mir unendlich langgezogen vor. 
„Kein Krankenhaus“, flüsterte ich in den Raum hinein und kämpfte gegen die Erschöpfung, welche mich immer mehr in ihren Bann zog.
Er streichelte mir kurz über die Wange. „Ich bin gleich wieder da. Halte durch.“ Andrew stand auf und lief aus dem Zimmer.
„Cause you and I, we were born to die“, sang ich vor mich hin und löste das Handtuch von meinem Arm.