"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Dienstag, 22. Oktober 2013

Flashback


Dunkel. Still. Unheimlich. Mit rasendem Herzschlag rannte ich die Straße entlang. Rannte so schnell wie mich meine Beine trugen. Und trotzdem war ich zu langsam. Ich hörte seinen Atem hinter mir, seine Worte, die sich tief in mein Herz bohrten. „Ich kriege dich, Kleine.“

Meine Lungen schmerzten von der kalten Luft, aber ich rannte weiter und weiter. Du darfst nicht stehen bleiben, befahl mir meine innere Stimme. Ich wagte einen kurzen Blick nach hinten. Er war keine 30 Meter mehr von mir entfernt. Mit letzter Kraft schleppte ich mich vorwärts, obwohl ich wusste, dass es kein Entkommen gab.

Meine Augen füllten sich mit Tränen als ich seinen heißen Atem an meinem Nacken spürte. Ich sank auf die Knie und verbarg mein Gesicht in den Händen.

„Hör auf zu heulen“, befahl er mir und zog mich wieder auf die Beine.
Zitternd dämmerte ich zurück ins Hier und Jetzt. Mir war heiß und kalt zugleich, mein Atem ging schnell und stoßweise. Ich lag auf dem Boden, die Beine angezogen und weinte. Heiße Tränen benetzten meine Wangen und tropften auf den Boden. Wimmernd schlang ich die Arme um mich bis ich allmählich wieder zur Ruhe kam. Langsam, als würde ich jeden Moment wieder zusammenbrechen können, erhob ich mich, setzte einen Fuß vor den anderen und hob die Rasierklinge auf, welche ich unter fließendem Wasser sorgfältig abwusch. Nachdenklich starrte ich auf das kleine Stück Metall in meiner Hand

Montag, 14. Oktober 2013

Das Ende.


Ich rannte die Treppe hinunter und stieg ins Auto. Mit Tränen in den Augen trat aufs Gas. Mein Herzschlag schnellte in die Höhe, geriet vollkommen außer Kontrolle. Adrenalin floss durch meine Adern. Immer schneller rauschte meine Umwelt an mir vorüber. Der Druck aufs Gas wurde größer. Meine Hände krallten sich um das Lenkrad. Krallten sich um das spröde Leder und verkrampften sich als wollte ich es niemals wieder loslassen.
Mein Atem ging in abgehackten Stößen als ich daran dachte, was ich Andrew gerade antat. Warme Tränen flossen über mein Gesicht, tropften von meinem Kinn.
„Es tut mir so leid“, flüsterte ich mit heiserer Stimme und riss das Lenkrad nach links gegen einen Baum.
Dann war alles zu Ende. Alles. Jeder Schmerz, jede Qual, jeder noch so drängende Gedanke.

 

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Erlösung von der Qual?


 
Als ich nach Hause kam und die Tür hinter mir ins Schloss fiel, konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Ein Aufschluchzen entstieg meiner wunden Kehle, Tränen strömten unaufhaltsam über meine Wangen. Und während ich im Bad nach einer neuen Klinge suchte, war ich so traurig wie lange nicht mehr.
Wie außer mir riss ich an dem Verband. Als ich die Nähte sah und anfing die dünnen Fäden herauszureißen, war es als legte jemand einen Schalter um.
Ich wurde ruhiger und glitt fast lautlos auf den Boden, wo ich zusammengesackt liegen blieb. Neben mir breitete sich ein kleines Meer aus Blut aus.
Alles wie immer.
Aber so ein Leben wollte ich nicht. Ich wollte keine Depression. Kein Armeaufschneiden um die Welt zu ertragen. Immer nur kämpfen um gleich wieder zu scheitern.
Nein, ich wollte das alles nicht mehr länger aushalten.
Ich stand auf, schwankte ein wenig und hielt mich an der Wand fest. Das Blut rann in zarten Linien meinen Arm hinab. Mit tränenverschleiertem Blick nahm ich eine Mullbinde und wickelte sie um die aufgerissene Wunde. Einen Moment lang blieb ich an meinem Spiegelbild hängen, das mir mit vorwurfsvollen, rot geweinten Augen entgegenblickte. Verzweiflung überkam mich, überschwemmte mich wie eine Welle und ließ mich ertrinken. Ich biss mir auf die Unterlippe und wandte mich ab.
Ich wankte in den Flur und sah Andrews Autoschlüssel herumliegen. Einen kurzen Moment lang blitzte eine Szene vor meinem inneren Auge auf.
In Andrews Auto sitzen, so schnell fahren, dass die Umgebung an mir vorbeirauscht. Das Radio  laut aufdrehen; der Bass dröhnt in meinen Ohren. Mit 120 Stundenkilometern die Straße entlang fahren, keine Vorschrift beachten. Vorbei an roten Ampeln und Stoppschildern. Das Fenster aufmachen, klare Luft einatmen, das letzte Mal die Freiheit genießen. Einen Augenblick lang überlegen. Das Lenkrad herumreißen und gegen einen Baum knallen. Tot sein. Endlich erlöst sein; frei.
Ich nahm den Autoschlüssel. Er fühlte sich kalt in meiner Hand an. Ungewohnt. Falsch.
Tu es verdammt!, schrie etwas in meinem Inneren.

Dienstag, 8. Oktober 2013

Akt drei


Akt drei
Ich schaute zu wie Frau Hohenstädt das Krankenhaus verließ. Wie sie ihr Auto aufschloss und davonfuhr. Erst dann stand ich auf. Verstohlen blickte ich mich im Gang um und lief dabei immer näher auf den Ausgang zu. So lange bis ich aufgerufen und in Raum dreizehn bestellt wurde. Mein erster Impuls war einfach loszurennen. Raus aus der Notaufnahme.
Doch dann kam die Krankenschwester auf mich zu. Wahrscheinlich dachte sie, ich suchte den Weg so zögernd wie ich dastand. „Ich bringe Sie“, sagte sie und schob mich vor sich her in Raum dreizehn, wo ein Arzt in weißem Kittel auf mich wartete. Er hielt mir seine Hand hin, ließ sie jedoch schnell wieder sinken als er den Schnitt und meine auf das Taschentuch gepressten, rotverschmierten Finger sah. Er half mir auf die Liege und platzierte meinen Arm mit der Innenseite nach oben auf einem kleinen Tischchen.
„Haben Sie sich das selbst zugefügt?“, fragte er und zog eine Augenbraue in die Höhe.
Ich nickte still und ergeben.
Er deutete auf das blutdurchtränkte Taschentuch. „Darf ich das wegnehmen?“
Ich öffnete die Lippen, wollte mit ihm sprechen, aber meine Stimme versagte. Die Worte blieben ungesagt in meinem Mund stecken. Dort, wo sie keiner finden und verurteilen konnte.
Der Chirurg sah mich eine Weile an ehe er vorsichtig das Taschentuch wegnahm und die Wunde betrachtete. „Ich nähe das mit vier, fünf Stichen“, sagte er, holte eine Spritze und eine Ampulle heraus um mir eine örtliche Betäubung zu geben.
Von da an sprach niemand mehr ein Wort.

Samstag, 5. Oktober 2013

Suizidwunsch


Akt zwei
Lächelnd und blutend betrat ich die Notaufnahme. Betten standen überall in den Gängen, beschäftigte Menschen liefen umher. Während ich ein Taschentuch auf meinen Unterarm drückte schob mich Frau Hohenstädt zur Anmeldung.
Eine junge Krankenschwester sah von ihren Unterlagen auf. „Hallo. Kann ich Ihnen helfen?“
„Ähm, ich muss zu einem Chirurgen…“
„Hatten Sie einen Unfall?“
„In gewisser Weise, ja.“ Ich schaute auf meine Fußspitzen, spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss.
Erst da bemerkte sie meinen vernarbten Arm und das durchweichte Taschentuch, was ich auf die Wunde presste. Sie lächelte ein unsicheres Lächeln. „Ich setze Sie ganz oben auf die Liste.“
„Danke.“ Wir setzten uns ins Wartezimmer.
Meine Therapeutin nahm sich eine Zeitschrift und blätterte in ihr. Ich schickte Andrew eine SMS.
Wie geht es dir? Wie waren die Meetings?, tippte ich.
Keine zwanzig Sekunden später rief Andrew mich an. Unsicher starrte ich auf mein vibrierendes Handy. Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich gerade mit aufgeschnittenem Arm und meiner Therapeutin auf einen Chirurgen wartete.
Nach kurzem Zögern stand auf, nahm das Gespräch an und lief nach draußen.
„Hallo Lexy“, hörte ich Andrews Stimme.
„Hey.“
„Du klingst nicht gerade gut. Ist alles okay?“
Nein, ich sitze gerade mit Frau Hohenstädt in der Notaufnahme.
„Ja, alles okay. Bin nur ein bisschen müde.“
Am liebsten hätte ich geschrien ‚Ich vermisse dich. Ich brauche dich. Komm verdammt nochmal zurück‘, aber ich tat es nicht.
„Die Meetings dauern vier Stunden. Manchmal stehe ich zwischendurch auf und hole mir einen Kaffee, weil mir so langweilig ist.“
„Mhm“, war alles, was ich machte.
Ich ließ mich auf einer der Treppenstufen nieder, nahm das Taschentuch von dem Schnitt und beobachtete wie das Blut meinen Arm hinabfloss.
„Und wenn ich wiederkomme, gehen wir essen. Du magst doch italienisch, oder?“
„Mhm.“
Er seufzte. „Lexy, ich merke doch, dass es dir nicht gut geht.“
„Ich vermisse dich“, flüsterte ich.
„Ich vermisse dich auch. Aber ich bin mir sicher, du schaffst das.“
Fast hätte ich kurz aufgelacht, konnte mich aber noch mal zurückhalten.
„Ich muss jetzt auflegen. Hab dich lieb. Und pass auf dich auf“, hörte ich mich sagen.
Mit laut pochendem Herzen schaute ich in den Himmel. Es war ein schöner Tag. Ein Tag mit blauem Himmel und klarer Luft.
Perfekt für einen Suizid.
Ich lächelte kurz ehe ich mich erhob und mich wieder in den Warteraum zu meiner Therapeutin setzte. „Sie müssen hier nicht mit mir warten.“
Sie schüttelte den Kopf. „Lexy, ich habe Ihnen meine Hilfe angeboten, also können Sie sie auch nutzen.“
Ich brauche keine Hilfe. Von niemandem. Es kommt eh alles zu spät. Viel zu spät. Bin schon zerbrochen.
„Ich glaube, ich schaffe es jetzt alleine.“