"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Montag, 26. August 2013

Ohne mich



Sie schrieb ein paar Zahlen auf einen Zettel, setzte ihren Namen drunter und gab mir das Stück Papier.
Endorphine wurden ausgeschüttet, flossen durch meine Adern und ließen mich alles genau wahrnehmen. Ihre  traurigen Augen als sie meinen begegnete.
Meine zittrigen Finger ergriffen den Zettel und schoben ihn in meine Hosentasche, damit ich ihn immer bei mir hatte.
„Was halten Sie von einem Anti-Suizid-Vertrag?“
„Nichts. Ich brauche so etwas nicht.“ Wenn ich mich umbringen möchte, dann tue ich es, egal was ich versprochen habe.
Ich sah eine Träne in ihren Augen glitzern als sie sagte: „Okay. Sie können mich Tag und Nacht anrufen, wenn etwas ist.“
Ich nickte.
Der kurze Blick auf die Uhr sagte mir, dass wir zehn Minuten überzogen hatten. Ich stand auf, schenkte ihr ein nichtssagendes Lächeln und verschwand mit den Worten ‚bis nächste Woche‘ aus ihrer Praxis.
Auf dem Weg zur U-Bahn zog ich den Zettel aus meiner Hosentasche und prägte mir die Nummer ein. Sie war meine letzte Rettung, mein Anker in einer Welt voller Verzweiflung.
Ich lief die Treppenstufen hinunter und quetschte mich in die volle U-Bahn. Als ich nach vier Stationen ausstieg, war ich äußerlich unverletzt, doch in mir drinnen sah es anders aus. Dunkler. Unheimlicher. Ich wartete bis die U-Bahn weg fuhr und starrte dann auf die Schienen. Auf die schwarzen, etwas rostigen Schienen, deren Anziehungskraft ich nicht entkommen konnte. Mein Blick haftete an der weißen Linie als mir klar wurde, wie leicht es war sich auf die Schienen zu schmeißen.
Ein seliges Lächeln stahl sich auf meine Lippen.
Die Welt würde sich weiter drehen, notfalls auch ohne mich.

Mittwoch, 21. August 2013

überleben.

Sicherlich gab es schlimmeres als das Gefühl alleine nichts auf die Reihe zu bekommen.
Sicherlich gab es schlimmeres als von einem Menschen abhängig zu sein.
Und sicherlich gab es tausende von Sachen, die einen Menschen mehr kaputt machen konnten.
Doch trotzdem fühlte es sich nicht gut an. Ganz und gar nicht gut. Ich hatte Angst wenn ich alleine war. Rasende Angst, die meinen gesamten Körper lähmte.
„Lexy, wo sind Sie gerade?“, hörte ich am Rande eine leicht genervte Stimme fragen.
Ich schob schnell alle Gedanken weg, sperrte jeden einzelnen wieder zurück in mein Gehirn und sagte dann mit einem gespielten Lächeln auf dem Gesicht: „Tut mir leid.“
Meine Therapeutin legte mir ihre Hand auf den Arm. „Was beschäftigt Sie?“
„Naja, es ist so…“ Ich holte tief Luft. „Andrew fährt morgen für ein Wochenende auf Geschäftsreise. Und ich habe das Gefühl,  dass ich es ohne ihn nicht schaffe. Dass ich versage und mir etwas antue.“
Ihre Augen wurden weicher. „Soll ich Sie einweisen lassen?“
„Um Gottes Willen, nein“, erwiderte ich  und verkrampfte mich in dem Sessel.
„Aber wenn Sie sich nicht sicher sind, dass Sie keine Gefahr für sich darstellen, wäre es doch der beste Weg.“
„Ich bin vor fünf Stunden entlassen worden, und habe keine Lust schon wieder eingewiesen zu werden.“ Verstohlen wischte ich mir eine Träne von der Wange.
Sie kniff ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. „Sie waren im Krankenhaus, weil Sie versucht haben sich umzubringen.“ Sie machte eine Pause, musterte mich aufmerksam und sprach dann weiter. „Also aus genau jenem Grund. Man kann Sie nicht auf sich alleine stellen.“
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Ja, aber mir geht es besser.“
„Das glaube ich nicht. Das ist nur das, was Sie allen vermitteln wollen.“
Sie hatte ins Schwarze getroffen. Und ich wusste nicht mehr, was ich antworten sollte. Stumm saß ich da und tat nichts außer sie anzustarren.
„Würde es Ihnen helfen, wenn ich Ihnen meine Telefonnummer gebe und Sie mich in Notfällen anrufen können?“
Vielleicht. Vielleicht auch nicht. „Ich kann es versuchen.“

Sonntag, 18. August 2013

weg.



Es hatte etwas Tröstliches, Vertrautes gehabt wie ich mit der Gitarre auf dem Boden gesessen hatte.
Aber wie alles, war auch das vergänglich. Es gab nichts Beständiges. Alles kommt und geht; nichts bleibt.
Seine Worte hatten alles zerstört, hatten meine Scheinwelt zum Einstürzen gebracht.
Ich muss morgen für ein Wochenende geschäftlich nach London, hallte es in meinem Kopf wider. Ich hab alles versucht, aber ich kann den Termin nicht verschieben.
Ich brach in Tränen aus. Schluchzte laut auf, denn für mich war ein Leben ohne ihn nicht mehr denkbar. Ohne ihn war ich ein Nichts.
„Es ist doch nur für zwei Tage.“ Er zog mich auf seinen Schoß und wiegte mich hin und her.
Mir liefen die Tränen unaufhaltsam über die Wangen. Egal, was er sagte. Egal, was er machte. Ich konnte und wollte mir nicht ausmalen, was ich ohne ihn anstellen würde.
„Ich fliege erst um zehn Uhr, wir können also noch gemeinsam frühstücken.“
Ein paar Stunden um mich überlebensfähig zu machen sind verdammt wenig.
Nun starrte ich auf mein Spiegelbild, welches mir aus geröteten Augen entgegen blickte. Meine rechte Hand tastete nach der Klinge, die auf dem Rand des Waschbeckens lag. Bereit mir in schlechten Zeiten beizustehen.
Der Herzschlag hämmerte in meinen Ohren, dumpf und viel zu schnell. Als ich die Rasierklinge an meinen Arm setzte, hielt ich kurz inne. Ich wusste, dass es falsch war.
Trotzdem war ich kurz davor die Klinge über meinen Arm zu ziehen. So kurz davor. Doch dann überlegte ich es mir anders.
Ich würde doch nur ein weiteres Mal in der Notaufnahme landen, war nichts anderes als eine ‚Arbeitsbeschaffungsmaßnahme‘.
„Was machst du denn so lange?“, fragte Andrew durch die Tür hindurch.
Ich versteckte die Rasierklinge, schloss auf und ging mit klopfendem Herz aus dem Bad.
„Alles okay?“ Andrew musterte mich eindringlich.
„Nein, es ist nicht alles okay. Aber egal.“
„Ach Süße. Das wird schon.“ Er umarmte mich. Fest und liebevoll.
Wann war ich eigentlich so abhängig von ihm geworden?

Mittwoch, 14. August 2013

will auf und davon



„Lexy!“, hörte ich Andrew plötzlich schreien.
Ich erschrak und knallte mit dem Kopf gegen die Wand. Als ich zu ihm aufschaute, sah ich wie er mich erwartungsvoll musterte. Ich musste mir schnell eine Ausrede einfallen lassen, warum ich ihm nicht zugehört hatte. Aber ich hatte das Gefühl mein Gehirn würde aus Watte bestehen. Jeder Gedanke löste sich nach einer Sekunde wieder in Luft auf.
Er seufzte, setzte sich mir gegenüber und nahm meine Hand in seine. „Ich hatte Angst. Du warst so in Gedanken und ich wusste nicht wie ich dich zurückholen sollte.“
„Schon okay.“
„Was ist nur los mit dir?“
„Ich weiß es nicht…“, brachte ich hervor. Und das war noch nicht einmal gelogen.
Weil mir nicht der Sinn nach weiteren Fragen dieser Art stand, rappelte ich mich auf und schaute auf meinem Weg zum Wohnzimmer ein letztes Mal durch den Spion. Von meinem Vater keine Spur mehr. Erleichterung stellte sich in meinem Körper ein. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht nahm ich meine Gitarre, setzte mich hin und spielte.
Spielte so lange bis Andrew ins Zimmer kam und sich neben mich setzte. Ich stoppte mitten im Akkord und hielt die Hand auf die schwingenden Saiten.
„Du spielst echt gut.“
„Nein, tu ich nicht“, erwiderte ich eine Spur zu schnell.
Ich legte die Gitarre neben mich auf den Boden, zog meine Knie an den Körper und starrte vor mich hin.
Weg war all die Euphorie, die ich bis eben noch beim Gitarre spielen empfunden hatte. Weg waren all die Endorphine. Ich war wieder die alte Lexy, die unzufrieden mit sich und mit der Welt war. Der ganzen befickten Welt.