"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Montag, 27. Oktober 2014

rose



Berlin, 17:16
Rose war auf das nicht vorbereitet gewesen. Sie hielt erschrocken die Luft an, lief dann zu April, fühlte ihren Puls und schlug ihr mehrmals auf die Wange. Keine Reaktion. Blitzschnell rannte sie zum Dienstzimmer und schrie: „Sie verblutet!“
Die Schwester von vorhin sah sie an, erblickte ihr tränenüberströmtes Gesicht und wurde blass. „Verdammt“, murmelte sie als sie ihr Telefon nahm, eine Nummer eintippte und während es wählte in Aprils Zimmer eilte, wo sie die bewusstlose Patientin mit aufgeschnittener Pulsader vorfand. Sie schilderte dem Arzt am anderen Ende der Leitung die Situation, rief eine weitere Krankenschwester und legte einen Druckverband an.
„Halte durch Mädchen“, flüsterte sie als sie April auf das Bett hoben und sie den Flur entlang zum Aufzug schoben.
Rose stand noch immer an eine Wand gelehnt und starrte ins Leere

Mittwoch, 12. März 2014

Erinnerung



Wir sitzen im Kreis. Ich habe die Beine übereinandergeschlagen, mich zusammengekrümmt und schaue zu Boden. Habe Angst aufzufallen. Will mich unsichtbar machen. Verschwinden. Mein Herz klopft wie verrückt. Ich atme flach und unregelmäßig, spüre wie mir Tränen in die Augen treten. Ich blinzele und verkrampfe meine Hände ineinander während mein Kunstlehrer redet. Ich weiß nicht worüber, alles, was ich weiß ist, dass mir seine Stimme Angst einjagt. Sie klingt so tief, laut und emotionslos.
Wir sollen uns reihum vorstellen. Ein Mädchen fängt an; ich beneide sie um ihre Unbeschwertheit mit der sie ihren Namen sagt. Je näher ich rücke, desto mehr Panik strömt durch meinen Körper. Als es dann soweit ist, setzt mein Herz einen Schlag aus. Mir bricht der Schweiß aus, Blut schießt in meine Wangen. Mir wird schwindlig. Mühsam bringe ich meinen Namen über die Lippen, leise und undeutlich.
„Habt ihr was verstanden? Ich nicht“, fährt mich der Lehrer an. Ich weiß genau, dass er meinen Namen kennt, er  unterrichtet mich seit zwei Jahren.
Kurz denke ich, ich fange gleich an zu weinen, doch ich reiße mich zusammen und wiederhole meinen Namen, diesmal etwas lauter aber noch immer mit nach unten gesenktem Blick.
„Hast du einen Sprachfehler oder warum wirst du am Ende immer leiser?“, sagt er mit einem hämischen Grinsen auf dem Gesicht.
Ich komme mir lächerlich vor wie ich auf dem Stuhl kauere und vor mich hin stottere, erbärmlich. Einfach erbärmlich. Ich spüre die bohrenden Blicke der anderen. Es ist als wären Scheinwerfer auf mich gerichtet. Ich atme tief durch. Weiß nicht was ich tun soll. Mich nochmal vorstellen und wieder versagen oder einfach den Mund halten und mich in Grund und Boden schämen?
„Bitte sag deinen Namen noch einmal, diesmal so, dass ihn auch jemand versteht.“
„Ich bin Justina“, sage ich zum dritten Mal und hoffe innerlich, dass es ihm diesmal genügt.
„Ach, Justina heißt du also.“ Sein Mund ist zu einem breiten Lächeln verzerrt. Damit gibt er das Wort an den Nächsten.
Mir ist kalt, eiskalt und ich fange an zu zittern. Vor Angst, vor Anspannung, vor Scham, ich weiß es nicht. Ich schlinge die Arme um mich und wünsche mir im Erdboden zu versinken. Ich schaue auf die Uhr, zähle die Sekunden, welche so qualvoll langsam vergehen.
Als die Vorstellungen beendet sind, ergreift er wieder das Wort. „Nun möchte ich auf eure Körperhaltung zu sprechen kommen.“ Er wirft einen prüfenden Blick in die Runde. Bleibt an mir hängen. Mustert mich lange.
Mir stockt der Atem. Ich beiße mir auf die Unterlippe bis ich Blut schmecke, umklammere meinen Körper fester und wünsche mir sehnlichst dass er seinen Blick von mir abwendet. Ich weiß doch selbst, dass ich hässlich bin und alles falsch mache.
„Diese Haltung ist echt zum Kotzen“, erklärt er und ich spüre wie alle zu mir gucken. „Ist dir kalt oder warum umklammerst du dich als würdest du gleich auseinanderfallen?“
Ja, mir ist kalt. Ich habe seit über einem Tag nichts gegessen, bin einfach unterzuckert und sterbe gleich vor Angst, denke ich. Aber alles, was ich mache, ist zu nicken.
Er seufzt. „Du hörst jetzt auf dein Arme zu verschränken.“ Er führt es mir vor als wäre ich sonst zu dumm um ihn zu verstehen. „Und dann stellst du deine Beine parallel zueinander auf den Boden.“ Auch das zeigt er mir.
Ich höre wie jemand kurz auflacht. Ich komme mir vorgeführt vor, gehorche aber und hoffe, dass er möglichst bald von mir ablässt.
„Ist doch schon viel besser.“ Er nickt mir zu. „Aber nichtsdestotrotz signalisierst du mir, dass du keinen Bock auf das Ganze hier hast.“
Ich bin viel zu durcheinander und weiß nicht, was er meint. Denn alles an mir ist falsch. Deshalb warte ich einfach ab.
„Schon mal etwas von Blickkontakt gehört?“, will er wissen und kann den Vorwurf in seiner Stimme nicht verbergen. Nicht dass er es versucht hätte.
Vorsichtig hebe ich meinen Kopf. Braune Haare, ein hartes Gesicht, dunkle Augen, in denen eher Hass als Mitleid lodert. Ich bekomme augenblicklich Gänsehaut. Will weg. Ganz weit weg.

Mein Herz pocht heftig gegen meine Rippen als er sagt: „Geht doch. Und jetzt teile ich euch Gedichte zu, die ihr in der Gruppe vortragt.“

An das nächste habe ich keine Erinnerung. Es ist wie ausgelöscht. Als wäre da nie etwas gewesen. Das nächste ist dass unsere Gruppe aufgerufen wird.

Ich stehe auf, gehe nach vorne, stelle mich an den Rand. Die anderen sitzen im Halbkreis vor uns und schauen uns erwartungsvoll an. Ich habe den Impuls zu fliehen, einfach wegzurennen, doch kann mich keinen Millimeter bewegen. Das Gefühl in der Situation gefangen zu sein war alles andere als angenehm. Meine vor Angst geweiteten Pupillen wandern von Gesicht zu Gesicht und treiben mich immer tiefer in die Panik. Ich kann kaum noch atmen, meine Knie sind weich wie Butter, alles dreht sich um mich herum. Wie durch Watte höre ich Worte. Worte, die einfach an mir vorbeiströmen; keinen Sinn ergeben.
Ich stehe also da, schwanke leicht und kämpfe gegen die nahende Ohnmacht an als mich meine Freundin anstupst.
Mit allerletzter Kraft lese ich meine Zeilen. Als ich fertig bin und benommen von meinem Text aufblicke, sehe ich meinen Lehrer auf mich zukommen.
„Alle bis auf Justina können sich setzen.“
Einige Sekunden lang verstehe ich nichts, dann dämmern mir seine Worte. Verzweiflung breitet sich in mir aus; lässt das Blut schneller durch meinen Körper strömen.
„Du trägst das jetzt noch einmal vor“, weist er mich an und stellt sich neben mich. „Und stell dich ordentlich hin.“ Er schubst mich. Ich stolpere und falle fast um. „Genau das hab ich gemeint. Stell dich so hin, dass du nicht umfallen kannst.“
Hilfesuchend blicke ich in die Gesichter meiner Mitschüler, doch es scheint niemanden zu interessieren.
„Nochmal“, wiederholt er.
Ich schnappe kurz nach Luft, rattere meinen Text herunter und verstumme schließlich.
„Vollkommen emotionslos. Du sollst das nicht ablesen, du sollst es vortragen. “
Tränen bahnen sich ihren Weg  über meine Wangen. Ich drehe mich um, schleppe mich aus dem Raum und höre die Tür hinter mir ins Schloss fallen.
Nervlich am Ende lasse ich mich an der Wand hinuntergleiten und beginne bitterlich zu weinen.
Das Öffnen der Tür lässt mich hochschrecken. Mit einem bestürzten Ausdruck auf dem Gesicht sah mich meine Freundin an. „War das so schlimm für dich?“
Ich schluchze laut auf und nicke. Immer und immer wieder höre ich seine Worte in meinen Ohren nachklingen.
Sie schließt mich in die Arme bis ich aufhöre zu weinen. „Siehst du, jetzt ist alles wieder gut.“ Als sie mich loslässt kauere ich mich auf dem Boden zusammen und beobachte wie sie wieder in die Klasse geht.
Alles wird gut ist die größte Lüge auf diesem beschissenen Planeten.
Ich bin nur noch ein Häufchen Elend mit dem innigen Wunsch zu sterben.

Donnerstag, 27. Februar 2014

Schmerz



Mit wackligen Knien wankte ich zum Waschbecken und hielt mich einen Moment an ihm fest bevor ich mich dazu durchringen konnte in den Spiegel zu schauen. Mir schaute ein Mädchen entgegen, dessen Gesicht vom Weinen gerötet war. Ihr leerer Blick und ihre glasigen Augen ließen mich scharf die Luft einziehen. Erinnerungen wurden wach. Ich wich einen Schritt zurück, schloss die Augen und atmete tief durch. Doch noch ehe ich mich wieder beruhigt hatte, entglitt mir die Realität.
Draußen war es dunkel. Stockdunkel und unheimlich. Ich sah die in Laternenlicht getauchten Autos am Straßenrand, die kahlen Bäume und den zugezogenen Himmel. Dazu hörte ich das Geräusch meiner Schritte auf dem Gehweg. Es war das einzige Geräusch in einer Umgebung voller Stille. Mein Atem ging schnell, mein Herz raste. Mein Körper war durchflutet von Angst. Immer wieder drehte ich mich um, aber da war niemand. Niemand, der mich verfolgte. Ich war ganz allein. Und trotzdem schnürte sich meine Kehle zu.
Ich hatte das Bedürfnis loszurennen und mich in Sicherheit zu bringen, doch das wäre zu auffällig gewesen. Also lief ich mit schnellen Schritten die verschneite Straße entlang und wagte ab und an einen kurzen Blick über die Schulter. Als ich das Zuschlagen einer Autotür hinter mir hörte, geriet ich in Panik. Unschlüssig stand ich auf dem Gehweg und starrte den Mann an, welcher aus dem schwarzen VW gestiegen war.
„Komm her du Schlampe. Du willst es doch auch“, raunte er mir zu und ließ meine Alarmglocken schrillen.
Mit rasendem Herzschlag rannte ich die Straße entlang. Rannte so schnell wie mich meine Beine trugen. Meine Lungen schmerzten von der kalten Luft, aber ich rannte weiter und weiter. Du darfst nicht stehen bleiben, befahl mir meine innere Stimme. Ich wagte einen kurzen Blick nach hinten. Er war keine 30 Meter mehr von mir entfernt. Mit letzter Kraft schleppte ich mich vorwärts, obwohl ich wusste, dass es kein Entkommen gab.
Meine Augen füllten sich mit Tränen als ich seinen heißen Atem an meinem Nacken spürte. Ich sank auf die Knie und verbarg mein Gesicht in den Händen.
„Hör auf zu heulen“, befahl er mir und zog mich wieder auf die Beine. Ich stieß ein Wimmern aus und fing furchtbar an zu zittern. Doch er packte mich, zog meinen Körper ein paar Meter weiter und presste mich an eine Häuserwand. Während er mir eine Hand auf den Mund presste, starrte ich mit von Tränen verschleiertem Blick in sein furchteinflößendes Gesicht. Ich erschauerte und schloss meine Augen. Angenehme Schwärze umgab mich nun. Doch als ich seine Hände auf meinen Brüsten spürte,  zuckte ich heftig zusammen und schluchzte laut auf.
„Halt’s Maul, verdammt!“, schrie er mich an. Ich kniff meine Augen zu und biss mir auf die Unterlippe bis ich Blut schmeckte.
Nicht weinen. Nicht schluchzen. Nicht zusammenzucken.
Ich nahm wahr wie er mein Kleid nach oben schob. Einen Augenblick lang hörte ich auf zu atmen. Mein Herzschlag rauschte in den Ohren, und einen Moment lang glaubte ich ohnmächtig zu werden.
Einfach atmen. Ein und aus. Ein und aus.
Und als er schließlich in mich eindrang, explodierte alles um mich herum. Schmerz, alles was ich fühlte war Schmerz. Die Tränen flossen meine Wangen entlang während ich mir befahl stark zu sein.
Es ist gleich vorbei. Alles wird wieder gut.
Doch das war eine verdammte Lüge.

Freitag, 24. Januar 2014

Lügen, nichts als Lügen



Ein kurzes Lächeln huschte über meine Lippen als ich die Klinge in die rechte Hand nahm und an mein Handgelenk setzte. Eine Bewegung, die in den letzten Wochen zu einer Gewohnheit geworden war. Ich hielt kurz inne, spürte wie mein Herz heftig in meiner Brust pochte und mein Atem in abgehackten Stößen ging.  Ich packte die Rasierklinge fester und zog sie in querverlaufenden Linien über meinen linken Unterarm. Die Schnitte fingen an zu bluten; die rote Flüssigkeit floss weich meine Haut hinab auf den Boden.
Mit leerem Blick beobachtete ich wie das Blut aus den Wunden trat und an meinem Arm hinunter strömte. Ein stummer Hilfeschrei, der ungehört in der Luft verklang.
Mit einem Mal fühlte ich mich unglaublich erschöpft. Es war kräfteraubend Tag für Tag so zu tun als ginge es mir gut; als wäre alles okay. Denn das war es nicht. Nicht mehr.
Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken.
„April, alles okay?“
„Ja“, sagte ich mit zittriger Stimme und riss ein Stück Toilettenpapier ab um es auf die Schnitte zu drücken.
Ich hörte wie sich die Schritte wieder entfernten und atmete auf. Erleichtert darüber, dass ich ein weiteres Mal mit meiner Lüge durchgekommen war.

Als ich meinen Ärmel nach unten zog fragte ich mich, ob ich wirklich eine so gute Schauspielerin war oder ob die anderen nur nicht sehen wollten, wie kaputt ich in Wirklichkeit war.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Flashback


Dunkel. Still. Unheimlich. Mit rasendem Herzschlag rannte ich die Straße entlang. Rannte so schnell wie mich meine Beine trugen. Und trotzdem war ich zu langsam. Ich hörte seinen Atem hinter mir, seine Worte, die sich tief in mein Herz bohrten. „Ich kriege dich, Kleine.“

Meine Lungen schmerzten von der kalten Luft, aber ich rannte weiter und weiter. Du darfst nicht stehen bleiben, befahl mir meine innere Stimme. Ich wagte einen kurzen Blick nach hinten. Er war keine 30 Meter mehr von mir entfernt. Mit letzter Kraft schleppte ich mich vorwärts, obwohl ich wusste, dass es kein Entkommen gab.

Meine Augen füllten sich mit Tränen als ich seinen heißen Atem an meinem Nacken spürte. Ich sank auf die Knie und verbarg mein Gesicht in den Händen.

„Hör auf zu heulen“, befahl er mir und zog mich wieder auf die Beine.
Zitternd dämmerte ich zurück ins Hier und Jetzt. Mir war heiß und kalt zugleich, mein Atem ging schnell und stoßweise. Ich lag auf dem Boden, die Beine angezogen und weinte. Heiße Tränen benetzten meine Wangen und tropften auf den Boden. Wimmernd schlang ich die Arme um mich bis ich allmählich wieder zur Ruhe kam. Langsam, als würde ich jeden Moment wieder zusammenbrechen können, erhob ich mich, setzte einen Fuß vor den anderen und hob die Rasierklinge auf, welche ich unter fließendem Wasser sorgfältig abwusch. Nachdenklich starrte ich auf das kleine Stück Metall in meiner Hand

Montag, 14. Oktober 2013

Das Ende.


Ich rannte die Treppe hinunter und stieg ins Auto. Mit Tränen in den Augen trat aufs Gas. Mein Herzschlag schnellte in die Höhe, geriet vollkommen außer Kontrolle. Adrenalin floss durch meine Adern. Immer schneller rauschte meine Umwelt an mir vorüber. Der Druck aufs Gas wurde größer. Meine Hände krallten sich um das Lenkrad. Krallten sich um das spröde Leder und verkrampften sich als wollte ich es niemals wieder loslassen.
Mein Atem ging in abgehackten Stößen als ich daran dachte, was ich Andrew gerade antat. Warme Tränen flossen über mein Gesicht, tropften von meinem Kinn.
„Es tut mir so leid“, flüsterte ich mit heiserer Stimme und riss das Lenkrad nach links gegen einen Baum.
Dann war alles zu Ende. Alles. Jeder Schmerz, jede Qual, jeder noch so drängende Gedanke.