"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Montag, 17. September 2012

Mein Atem stockte


Im Treppenhaus krachte etwas auf die Steinfliesen. 
„Was…was war das?“, schrie ich entsetzt und sprang auf. Ohne das Licht anzumachen rannte ich zur Haustür und schaute nach, wer da stand.
„Das kann doch nicht wahr sein“, murmelte ich fassungslos vor mich hin.
Es war Andrews Tochter, die mir eine Hand hinhielt. Ich schüttelte den Kopf, als wäre das alles ein Produkt meiner Fantasie. Doch als ich zum zweiten Mal hinaus sah, stand sie noch immer da. Ihr weißes Gesicht war umrahmt von ihren dunklen Haaren, die mit einer rosafarbenen Schleife zusammengehalten wurden.
„Komm“, flüsterte sie mir zu und reichte mir ihre kleine Hand.
 Doch bevor ich mich von ihr mitziehen lassen konnte, knallte Andrew die Tür zu.
„Warum bist du so gemein zu ihr?“
„Zu wem?“ Er schien ernsthaft irritiert zu sein.
Zu deiner Tochter, die draußen vor der Tür steht.
„Du siehst aus als hättest du ein Gespenst gesehen.“
Sie war da. Davon war ich felsenfest überzeugt. Ich schaute ihm tief in die Augen und drückte die Klinke hinunter.
Sie war weg. Dort, wo Hayley eben noch gestanden hatte, war nun… nichts. Ich  suchte nach Fußabdrücken, irgendeinem Beweis, dass sie hiergewesen ist. Doch da war nichts.
Ich ließ die Tür ins Schloss fallen. „Ich dachte nur, ich hätte etwas gesehen…“
„Er ist gegangen, Lexy.“
Ja, ich weiß.
Ich spürte seine Fürsorge, die sich wie ein dunkler Vorhang über mich legte. „Möchtest du ein heißes Bad nehmen?“
Ähm, ich bin mir nicht sicher ob das eine gute Idee ist.
„Ich kann mich auch dazu setzen, wenn du möchtest.“
Klingt schon besser.
„Nicht dass du wieder Dummheiten machst.“
Das wäre durchaus möglich.
Er nahm meine Hand, zog mich ins Badezimmer. Ich kippte eine halbe Flasche Badeschaum mit Rosenduft in die Wanne und ließ heißes Wasser hinein fließen. Während ich mich auszog  holte er mir ein sauberes Handtuch vom Wäscheständer im Flur. Ich riss ungeduldig an dem Verband. Als er wiederkam lag ich schon in  dem rosafarbenen Schaum, der meinen Körper vollkommen bedeckte. Ich zwirbelte meine Haare zu einem Dutt, wie Ballerinas ihn tragen. Dann lehnte ich meinen Kopf an und schloss die Augen.
Wie gerne hätte ich jetzt gesagt, ich würde mich besser fühlen, befreiter. Aber das war nicht der Fall.
Ich öffnete meine Augen und sah Andrew in meinem Badezimmerschrank herumwühlen.
„Was suchst du?“
Er ließ eine Packung Raiserklingen fallen als er sich mir zuwandte.
Scheiße. Scheiße. Scheiße.
Das wars dann wohl.
Ich täuschte mich. Alles was er tat, war mir einen pseudo-verständnisvollen Blick zuzuwerfen und die Rasierklingen in den Mülleimer zu werfen. Sehnsüchtig blickte ich ihnen hinterher. Dann schaute ich an mir hinunter und hob meinen Fuß aus dem Schaumteppich. Die Wunde klaffte auseinander. Weit auseinander. Hätte genäht werden müssen. Aber egal.
Ich ließ mein Bein wieder in das Wasser gleiten und verspürte ein leichtes Brennen als der Schnitt in die chemische Rosenessenz  eintauchte.
Andrew setzte sich auf den Badewannenrand, fuhr mit seinem Zeigefinger über meine Stirn. „Du hast jemanden vor der Tür stehen sehen. Habe ich Recht?“
„Woher…weißt du das?“
„Dein Blick. Du hattest deine Augen weit aufgerissen, die Lippen fest zusammengepresst und dann deine Frage.“
Mir war elend zumute. „Es ist nicht so, dass ich Dinge sehe, die gar nicht existieren.“
„Vielleicht kommt es dir nur so vor und in Wahrheit war da niemand.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Dein Vater war aber-“
„Es geht nicht um meinen Vater. Der ist mir sowas von gleichgültig.“
„Sag nicht, du hättest schon wieder Hayley-“
„Man Andrew. Kannst du mir nicht ein Mal glauben? Ein einziges Mal?“
„Sie ist tot. Ihre Leiche wurde im Wald gefunden.“
„Aber-“
„Ich habe sie identifiziert.“
Ich seufzte, wusste wie ausweglos diese Diskussion war. „Okay. Wenn du meinst sie stände im Treppenhaus, werde ich nachgucken.“ Er ging aus dem Bad, ließ die Tür aber offen so dass ich hören konnte, wie er die Tür aufmachte.
„Da ist nichts. Wirklich, da ist nichts. “, hörte ich ihn leise, kaum hörbar, wiederholen. Wie ein Mantra.
Mein Atem stockte. Ich hatte mich geirrt.

2 Kommentare:

  1. wunderschöner trauriger blog, hast ne' neue leserin (: Darf ich fragen wie alt ihr seid ?

    AntwortenLöschen
  2. das würde mich auch interessieren..!

    AntwortenLöschen