"Puts on her best smile, but underneath she's a broken girl."

Donnerstag, 14. Juni 2012

Bitte entschuldige.


 Als ich den Wohnungsflur betrat, ließ ich die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. Noch im gleichen Moment  warf ich meine Tasche auf den Boden.
„Andrew?“
Keine Antwort.
Ich taumelte ins Badezimmer, riss die Schranktür auf und suchte nach der Packung. Meine zitternde Hand umkrallte die Pappverpackung während ich mich auf den Boden gleiten ließ, sie aufriss und das glänzende Stück Metall herausholte. Dann schob ich meinen Ärmel hoch. Weiße Narben zierten meinen Unterarm. Zwischen ihnen befanden sich klaffende, rote Schnittwunden. Zugegeben, es sah nicht schön aus, doch abschrecken tat mich dieser Anblick schon lange nicht mehr.
Ich  setzte die Klinge langsam an meinen Arm. Mein Herz klopfte wild. So als ob es gegen das Bevorstehende protestieren wollte. Du hast nichts anderes verdient dröhnte eine Stimme in meinem Kopf dagegen an. Wieder und wieder.  Ich drückte die Rasierklinge tief in mein Fleisch und zog sie ein paar Zentimeter am Unterarm entlang. Blut strömte aus dem Schnitt; ein pochender Schmerz erfasste mich. Mir wurde unglaublich warm.  Die Wunde fing an zu brennen. Aber es tat gut, das herunterrinnende Blut zu sehen.  Fasziniert beobachtete ich wie die roten Tropfen aus dem Schnitt hinaustraten und sich auf den kalten Fliesen sammelten. Ich hatte es verdient zu leiden. Der Fleck wurde größer und größer. Ein Gefühl der Befriedigung stieg in mir auf.
 Ich vergaß alles um mich herum; konzentrierte mich auf den Schmerz. Er befreite mich. Benommen blickte ich auf die silberne Klinge in meiner Hand. Blut klebte an ihr. Mein Blut.
Hastig stand ich auf. Meine  Knie waren weich und ich hatte Mühe das Gleichgewicht zu halten. Ich spülte das Blut ab, welches noch immer in krummen Linien meinen Arm herunterrann. Notgedrungen nahm ich einen Verband aus dem Spiegelschrank über dem Waschbecken und wickelte ihn um die Wunde. Die Klinge wusch ich ordentlich unter fließendem Wasser ab.  Anschließend legte ich sie in die Packung und stellte diese zurück in den Badezimmerschrank. Ich  riss ein paar Blätter  Toilettenpapier ab und wischte damit den Fleck auf dem Boden weg.
„Sophie, was machst du denn solange im Bad?“ In seiner Stimme lag Misstrauen. „Wenn du schon wieder…“ Er riss die Tür auf und sah den neuen Verband an meinem Arm. „Man Sophie, wir waren doch schon weiter.“
Es tut mir leid. Ich konnte nicht anders. Bitte entschuldige.

Er zerrte mich grob aus dem Badezimmer.
Ich habe das Versprechen gebrochen.
Ich wagte es nicht ihn anzusehen.
Ich wollte dich nicht enttäuschen. Wirklich nicht.
Mein Herz krampfte sich zusammen.
Bitte verzeih mir.
„Warum musste es wieder soweit kommen? Warum?“
Du hast Recht. Ich habe mich nicht unter Kontrolle.
Ich schlug mit der flachen Hand gegen die Wand.
Ich hasse mich. Abgrundtief.
Türknallend ließ er mich stehen.
Bitte verlass mich nicht. Ohne dich bin ich verloren.
Ich malte mit der Fingerspitze ein Kreuz auf die Tapete. Das Geräusch meines kratzenden Fingernagels erschien mir plötzlich unendlich laut. In aller Deutlichkeit wurde mir klar wie still es in der Wohnung eigentlich war wenn Andrew nicht da war.

2 Kommentare:

  1. Woow, dein Block ist ebenfalls sehr toll.. und deine Texte sind sehr berührend und toll geschrieben!

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  2. Hey!
    Das ist wirklich total berührend und super geschrieben:) Ich habe beinahe geheult. Du solltest auf jeden Fall weiterschreiben.
    Lg LaLouve

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