Als ich
den Wohnungsflur betrat, ließ ich die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss
fallen. Noch im gleichen Moment warf ich
meine Tasche auf den Boden.
„Andrew?“
Keine Antwort.
Ich taumelte ins Badezimmer, riss die
Schranktür auf und suchte nach der Packung. Meine zitternde Hand umkrallte die
Pappverpackung während ich mich auf den Boden gleiten ließ, sie aufriss und das
glänzende Stück Metall herausholte. Dann schob ich meinen Ärmel hoch. Weiße
Narben zierten meinen Unterarm. Zwischen ihnen befanden sich klaffende, rote
Schnittwunden. Zugegeben, es sah nicht schön aus, doch abschrecken tat mich dieser
Anblick schon lange nicht mehr.
Ich
setzte die Klinge langsam an meinen Arm. Mein Herz klopfte wild. So als
ob es gegen das Bevorstehende protestieren wollte. Du hast nichts anderes verdient dröhnte eine Stimme in meinem Kopf
dagegen an. Wieder und wieder. Ich
drückte die Rasierklinge tief in mein Fleisch und zog sie ein paar Zentimeter
am Unterarm entlang. Blut strömte aus dem Schnitt; ein pochender Schmerz
erfasste mich. Mir wurde unglaublich warm.
Die Wunde fing an zu brennen. Aber es tat gut, das herunterrinnende Blut
zu sehen. Fasziniert beobachtete ich wie
die roten Tropfen aus dem Schnitt hinaustraten und sich auf den kalten Fliesen
sammelten. Ich hatte es verdient zu
leiden. Der Fleck wurde größer und größer. Ein Gefühl der Befriedigung stieg
in mir auf.
Ich
vergaß alles um mich herum; konzentrierte mich auf den Schmerz. Er befreite
mich. Benommen blickte ich auf die silberne Klinge in meiner Hand. Blut klebte
an ihr. Mein Blut.
Hastig stand ich auf. Meine Knie waren weich und ich hatte Mühe das
Gleichgewicht zu halten. Ich spülte das Blut ab, welches noch immer in krummen
Linien meinen Arm herunterrann. Notgedrungen nahm ich einen Verband aus dem
Spiegelschrank über dem Waschbecken und wickelte ihn um die Wunde. Die Klinge
wusch ich ordentlich unter fließendem Wasser ab. Anschließend legte ich sie in die Packung und
stellte diese zurück in den Badezimmerschrank. Ich riss ein paar Blätter Toilettenpapier ab und wischte damit den
Fleck auf dem Boden weg.
„Sophie, was machst du denn solange im Bad?“
In seiner Stimme lag Misstrauen. „Wenn du schon wieder…“ Er riss die Tür auf
und sah den neuen Verband an meinem Arm. „Man Sophie, wir waren doch schon
weiter.“
Es tut mir leid.
Ich konnte nicht anders. Bitte entschuldige.
Er zerrte mich grob aus dem Badezimmer.
Ich habe das
Versprechen gebrochen.
Ich wagte es nicht ihn anzusehen.
Ich wollte dich
nicht enttäuschen. Wirklich nicht.
Mein Herz krampfte sich zusammen.
Bitte verzeih
mir.
„Warum musste es wieder soweit kommen? Warum?“
Du hast Recht.
Ich habe mich nicht unter Kontrolle.
Ich schlug mit der flachen Hand gegen die
Wand.
Ich hasse mich.
Abgrundtief.
Türknallend ließ er mich stehen.
Bitte verlass
mich nicht. Ohne dich bin ich verloren.
Ich malte mit der Fingerspitze ein Kreuz auf
die Tapete. Das Geräusch meines kratzenden Fingernagels erschien mir plötzlich unendlich
laut. In aller Deutlichkeit wurde mir klar wie still es in der Wohnung eigentlich
war wenn Andrew nicht da war.
Woow, dein Block ist ebenfalls sehr toll.. und deine Texte sind sehr berührend und toll geschrieben!
AntwortenLöschenHey!
AntwortenLöschenDas ist wirklich total berührend und super geschrieben:) Ich habe beinahe geheult. Du solltest auf jeden Fall weiterschreiben.
Lg LaLouve